
Ein unscheinbarer Freitagabend wurde zur Kulisse für ein komplexes Einsatzszenario im Lehrter Stadtgebiet: Rund 120 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdiensten und Spezialkomponenten trainierten am gestrigen Freitagf, 13. Juni 2025, unter realitätsnahen Bedingungen den Ernstfall – einen großflächigen Gefahrstoffaustritt in einem Industriebetrieb. Zum Glück handelte es sich nur um eine Übung.
Das Szenario: Säureaustritt und Verpuffung in Industriehalle
Ausgangspunkt des Übungseinsatzes war ein fiktives Szenario auf dem Gelände eines Lehrter Chemiebetriebs in der Köthenwaldstraße. Demnach sollte es bei innerbetrieblichen Tätigkeiten zu einem Unfall gekommen sein: Ein Gabelstapler durchtrennte versehentlich mehrere Edelstahlbehälter, die mit Salzsäure befüllt waren. Die ätzende Flüssigkeit trat aus, teilweise gelangte sie sogar bis zum angrenzenden Lehrter Bach – eine bedrohliche Lage für Mensch und Umwelt, so die Übungsannahme.
Noch während der ersten Erkundung der Lehrter Feuerwehr kam es im Szenario zur nächsten Eskalationsstufe: Innerhalb der Produktionshalle ereignete sich eine Verpuffung. In der Folge galten vier Mitarbeitende des Betriebs als vermisst. Die Übung nahm damit Fahrt auf – und bildete die Grundlage für ein umfangreiches Zusammenspiel verschiedener Einsatzkräfte.
Schnelle Lageeinschätzung und Kräfteanpassung
Zunächst wurde der örtliche Einsatzleitwagen zur Lageerkundung alarmiert. Aufgrund der angenommenen Schadenslage wurde das Einsatzstichwort zeitnah auf „ABC 2“ erhöht – ein Zeichen für einen bestätigten Einsatz mit gefährlichen Stoffen, der spezialisierte Kräfte und umfangreiche Schutzmaßnahmen erforderlich macht.
Es wurde in kürzester Zeit Verstärkung hinzugerufen: Neben der Lehrter Ortsfeuerwehr kamen weitere Einheiten aus den benachbarten Kommunen Burgdorf, Sehnde und Uetze zum Einsatz – vereint im sogenannten ABC-Zug Region Hannover-Ost. Dieser ist speziell für atomare, biologische und chemische (ABC) Einsatzlagen geschult und ausgerüstet. Ebenfalls vor Ort waren Kräfte des Rettungsdienstes zur medizinischen Absicherung sowie Fachberater Gefahrgut.
Menschenrettung unter erschwerten Bedingungen
Ein besonderer Fokus lag auf der Menschenrettung unter Gefahrstoffbedingungen. Während eine Person laut Übungsskript nur noch tot geborgen werden konnte, wurde eine zweite mit leichten Verletzungen gerettet und dem Rettungsdienst übergeben. Zwei weitere Vermisste wurden von Trupps in Chemikalienschutzanzügen (CSA) gesucht und geborgen. Der Einsatz dieser Spezialanzüge stellt für die Feuerwehrkräfte eine körperliche Extrembelastung dar – bei Außentemperaturen von etwa 27 Grad ist jeder Handgriff mühsam und kräftezehrend.
Eindämmung des Gefahrstoffs und Umweltschutz
Gleichzeitig begannen weitere CSA-Trupps mit der Sicherung und Abdichtung der beschädigten Säurebehälter. Die Austrittsstellen wurden abgedichtet, die Kontamination eingegrenzt und erste Maßnahmen zur Verhinderung einer Ausbreitung in die Umwelt eingeleitet. Begleitend wurde eine Dekontaminationsstrecke aufgebaut, an der Mensch und Material nach dem Kontakt mit dem simulierten Gefahrstoff gereinigt wurden. Die Beobachtung und Dokumentation der Abläufe durch Übungsleiter und Fachpersonal war integraler Bestandteil der Übung.
Koordination, Kommunikation und Zusammenarbeit
ABC-Lagen gelten im Feuerwehrwesen als besonders herausfordernd – nicht nur wegen der Gefahrenstoffe selbst, sondern auch durch ihre Anforderungen an Koordination und Führungsstruktur. Unterschiedliche Organisationen und Einheiten müssen schnell zusammenarbeiten, kommunizieren und sich auf gemeinsame Einsatzabläufe verlassen können. Diese Schnittstellen wurden bei der Übung intensiv trainiert und auf ihre Belastbarkeit getestet.
Bedeutung des Trainings für den Ernstfall
Übungseinsätze wie dieser dienen nicht nur der Überprüfung von Ausrüstung, Kommunikation und Einsatzplänen – sie sind auch ein wichtiger Gradmesser für die persönliche Belastbarkeit und Handlungsfähigkeit der Einsatzkräfte. Besonders bei ABC-Einsätzen, bei denen Gefahrstoffe schon in kleinsten Mengen große Schäden anrichten können, ist eine routinierte Vorgehensweise entscheidend. Die Feuerwehrleute trainieren dabei auch den Eigenschutz und lernen, trotz komplexer Technik den Überblick zu behalten.
Reibungsloser Ablauf
Am Ende der etwa zweistündigen Übung zeigten sich die Verantwortlichen zufrieden: Die gesteckten Ziele wurden erreicht, die Zusammenarbeit funktionierte reibungslos, und die eingesetzten Trupps bewältigten das anspruchsvolle Szenario souverän. In einer gemeinsamen Abschlussbesprechung wurden erste Eindrücke zusammengetragen, Verbesserungsvorschläge notiert und das Engagement der Beteiligten gewürdigt.
Glücklicherweise wurde bei dieser Übung niemand verletzt – und doch war der Erkenntnisgewinn groß: Derartige Einsätze sind anspruchsvoll, lassen sich aber durch regelmäßiges Training gut bewältigen. Die Feuerwehr Lehrte und ihre Partner haben eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie leistungsfähig und einsatzbereit sie für den Ernstfall aufgestellt sind.